Der Religionsrezeß von 1672 zu Cöln an der Spree

 

Als am 25. März 1609 Herzog Johann Wilhelm I., Herzog von Jülich, Kleve und Berg, Graf von Mark und Ravensberg, starb, erlosch mit ihm die klevische Dynastie im Mannesstamm.

Obwohl er und sein Vater, Wilhelm III., genannt der Reiche, katholisch geblieben waren, hatten sich dennoch in ihrem gesamten Herrschaftsbereich reformierte und lutherische Gemeinden gebildet – nicht zuletzt als Folge einer im Geiste des Erasmus stehenden, toleranten Kirchenpolitik. Die Gemeinden waren in der Regel sogenannte heimliche Gemeinden, deren Existenz zwar bekannt war, die aber toleriert wurden.

Erbberechtigt waren zum einen Johann Sigismund von Preußen Brandenburg, da laut Heiratsvertrag vom 14. Dezember 1572 zwischen Herzog Albrecht Friedrich von Preußen und Eleonora von Kleve deren ehelichen Nachkommen die Nachfolge zugesichert worden war, und zum anderen Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Pfalz Neuburg, der sich auf eine kaiserliche Urkunde berufen konnte, nach der Herzog Wilhelms Töchter und deren männlichen Nachkommen das Erbe zufiel. Beide Fürsten waren natürlich darum bemüht, das Erbe für sich zu gewinnen.

Zum Vorteil für die evangelischen Gemeinden gereichte es, daß beide Fürsten lutherisch waren – die Gemeinden hatten nun die Möglichkeit, aus ihrem versteckten Dasein herauszukommen und öffentlichen Gottesdienst zu halten.

Mit den beiden Reversalen vom Juli 1609 wurde der Zustand der Konfessions- und kirchlichen Besitzverhältnisse bestätigt und für die Zukunft garantiert. Durch die Gewährung der Gewissensfreiheit wurde die evangelische der katholischen Kirche gleichgestellt.

Lag die Verwaltung des Landes zwar zu gleichen Teilen bei den Erben, so waren jedoch beide Parteien darum bemüht, einen möglichst großen Teil des Erbes, wenn nicht sogar das gesamte Erbe, für sich zu gewinnen. Aus diesem Grunde bemühte sich jeder der beiden Kontrahenten um Verbündete.

Wolfgang Wilhelm fand diese im katholischen Lager. Durch seine Konversion zum Katholizismus und der gleichzeitigen Heirat mit der Schwester des Herzogs Maximilian von Bayern sicherte er sich dessen Unterstützung und die Unterstützung der katholischen Liga. Johann Sigismund trat zur reformierten Konfession über und erhielt somit Rückendeckung durch den führenden reformierten Fürsten, den Kurfürsten von Sachsen.

Dies versetzte die evangelischen Gemeinden im Verwaltungsbereich Wolgang Wilhelms in Alarmbereitschaft, drohten doch durch dessen Konversion zum Katholizismus die gewonnenen Freiheiten wieder verloren zu gehen, doch versicherte der Pfalzgraf am 16. April 1614, daß er keinen wegen seiner Religion verfolgen werde.

Die Besitzverhältnisse im Lande blieben weiterhin ungeklärt; durch den Xantener Vertrag wurden 1614 die Residenzen und das Land zwar geteilt – Brandenburg bekam Kleve, Mark mit Ravensberg und Ravensstein, Pfalz-Neuburg erhielt Jülich-Berg – die Fürsten regierten jedoch weiterhin in beider Namen. Kirchliche Neuordnungen sollten demnach durch beiderseitige Kommissionen redressiert und für die Zukunft entsprechend geregelt werden.

Schon bald nach Abschluß des Xantener Vertrages kam es in Jülich-Berg zu gegenreformatorischen Handlungen des Fürsten – Handhabe gab ihm die zweifelhafte Auslegung der Reversalen. Als Reaktion darauf kam es zu Repressalien von katholischen Gemeinden im Herrschaftsbereich des Brandenburgers.

Dieser Zustand, der für viele evangelische Gemeinden einschneidende Maßnahmen mit sich zog – vielen  wurden die Kirchen geschlossen -, hielt noch über den Westfälischen Frieden 1648 an.

Eine Lösung dieses Zustands bahnte sich erst mit dem Erbvergleich vom 9. September 1666 an, in dem die Besitzverhältnisse am Niederrhein endgültig geregelt wurden. Im Nebenvergleich sollten Fragen der Religion und geistiger Güter geregelt werden.

Über diesen Vergleich entstanden lange Verhandlungen, die ihren Abschluß erst 1672 mit dem Religionsrezeß zu Cöln an der Spree fanden.

In diesem Rezeß wurde den Bürgern der ehemaligen Erblande vollkommene Religionsfreiheit zugesprochen. Wo den einzelnen Konfessionen die öffentliche Ausübung ihres Glaubens untersagt worden war, sollte dies wieder erlaubt sein.

Bis jedoch alle Bereiche des Rezesses geregelt worden waren, sollte es weitere 11 Jahre dauern, so daß am 6. Mai 1683 auf einer Konferenz in Neuss der Vertrag endgültig ratifiziert wurde. Die jahrzehntelange Unterdrückung der evangelischen Kirche am Niederrhein hatte ein Ende.